April 2024

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Überblick:

 

      • Zeckenzeit beginnt – wichtige Hinweise zur Borrelien-Serologie.
      • Antikörperentwicklung beeinflusst die Interpretation von Infektionen.
      • Serologische Tests sind ungeeignet zur Therapiekontrolle.
      • FSME-Impfintervalle sollten trotz hoher Titer eingehalten werden.
      • Kreuzreaktionen mit Flaviviren können zu irreführenden FSME-Ergebnissen führen.

Und wieder steht ein warmes Frühjahr mit hoher Zeckenaktivität bevor, wie schon in den vergangenen Jahren.

Aus aktuellem Anlass daher eine Auflistung von je sechs wichtigen, Ihnen bereits bekannten, aber vielleicht immer wieder vergessenen Tatsachen zur Borrelien-Serologie:

      • Zunächst sind Zecken nicht nur die Überträger von Borrelien (und FSME), sondern auch einer Vielzahl von weiteren Erregern, insbesondere auch Anaplasma phagozytophila. Bei Fieber im Sommer mit Thrombozytopenie vielleicht auch an eine Ehrlichiose denken!
      • Wenn ein Erythema chronicum migrans (ECM) diagnostiziert wird, ist eine Antibiotikagabe indiziert. Wenn Antikörper gegen Borrelien gefunden werden, sind dies diejenigen von einer früheren Infektion, weil es zur Antikörperentwicklung ja 10 -14 Tage braucht.
      • Bei einem ECM werden also in der Regel im Akutstadium oft keine Borrelienantikörper gefunden und daher ist das Fehlen dieser natürlich keine Indikation eine initial begonnene Antibiotikatherapie nach Erhalt der negativen Serologie wieder abzusetzen.
      • Aus Pkt. 2 und Pkt. 3 folgt außerdem, dass eine Borrelien-Antikörperdiagnostik beim frischen ECM per se nicht indiziert ist.
      • Natürlich ist eine Borrelienserologie im Verlauf zur Differentialdiagnose, Absicherung, Kontrolle bei klinischer Verschlechterung, Borrelienspätformen etc. weiterhin wichtig, diese sollte aber nie auf einem ELISA allein beruhen, sondern immer auf einer Verifizierung durch einen Blot. Dieser kann oft sehr gut abgrenzen, ob es sich um eine frische Infektion oder eine frühere handelt, wobei hier nicht IgM bzw. IgG notwendigerweise die zielführenden Parameter sind, sondern Banden im Blot gegen OspC bzw. gegen P18 oder VSLE.
      • Wenn man Wochen nach einer Antibiotikatherapie anhand der Titer schauen möchte, ob die Therapie erfolgreich war (in Erwartung nun geringer Titer), erleidet man Schiffbruch, denn in der Regel ist der Titer sogar extrem angestiegen, und zwar durch die durch Antibiotika und Immunsystem zerstörten Borrelien, deren Fragmente natürlich eine Vielzahl neuer Antikörper gegen diese nun entstandenen „Neoepitope“ induzieren. Auch noch nach vielen Monaten sind oft sehr hohe Titer nachweisbar, die somit eher für eine erfolgreiche Antibiotikatherapie sprechen, als gegen eine solche.

Und zur FSME-Serologie:

      • Die offiziellen Abstände für eine Auffrischung mit FSME sind 5 Jahre für Erwachsene und 3 Jahre für Senioren. Diese Abstände sind so gewählt, dass wirklich 99% der diesen Impfabstand Einhaltenden geschützt sind.
      • Daraus folgt, dass 5-10 Jahre nach der Auffrischung immer noch oft sehr hohe Titer gemessen werden, was zur eigenmächtigen Verlängerung der Intervalle führt.
      • Es ist von Kollaritsch und Kollegen aber kürzlich beschrieben worden, dass typischerweise nach 7 Jahren bei einigen Probanden ein dramatischer Titerabfall möglich ist (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36303530).
      • Die Schweiz bezahlt die FSME-Auffrischungen, aber erst nach 10 Jahren und nimmt somit ein paar wenige Impfdurchbrüche in Kauf, bei einer jedoch hohen Durchimpfungsrate.
      • FSME-Viren sind Flaviviren – eine Impfung gegen Gelbfieber oder Japan Encephalitis oder eine (oft ja auch unbemerkte) Infektion mit Dengue- oder West Nil-Virus induziert Antikörper, die in den gängigen FSME Tests detektiert werden und den durch FSME-Impfung erreichten „FSME“-Titer deutlich erhöhen können.
        Da diese aber nicht schützend sind, wird somit ein nicht vorhandener Schutz, trotz augenscheinlich positivem Titer vorgetäuscht.
      • ERGO: Daher sollten die empfohlenen Impfintervalle eingehalten, aber jedenfalls auch bei langjährig hohem gemessenen Titer spätestens nach 10 Jahren aufgefrischt werden.

Ao. Univ.-Prof. Dr.med. Reinhard Würzner, PhD
reinhard.wuerzner@i-med.ac.at
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